
Foto ©Martin Sigmund
Mit der Inszenierung von Die Walküre, dem ersten Tag des von Wagner in fast dreißigjähriger Arbeit konzipierten monumentalen Buhnenfestspieles, setzt die Staatsoper Stuttgart das Projekt des neuen Rings fort. Mit einer ausgesprochen innovativen Idee übertrug die künstlerische Leitung des Theaters das Bühnenprojekt drei verschiedenen Regieteams, eines für jeden Akt des Stücks. Verantwortlich für das Bühnenkonzept des ersten Aufzugs war das niederländische Theaterkollektiv Hotel Modern, dessen Performances immer auf der Bewegung winziger Puppen basieren, die in Miniaturräumen agieren und die der Öffentlichkeit durch Videoprojektionen gezeigt werden. Aus ästhetischer Sicht waren die Bilder von Mäusen, die sich in Szenen von Ruinen bewegten, die nach einem Bombenangriff zurückgelassen wurden, ausgesprochen unattraktiv und wirkten in diesem besonderen historischen Moment auch geschmacklos, außerdem war die theatralische Umsetzung der Geschichte ausgesprochen unsicher und schlecht definiert im Detail.

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Effektiver war sicherlich die Gesamtkonzeption des zweiten Aufzugs, die Urs Schönebaum anvertraut wurde, einem Münchner Regisseur und Bühnenbildner, der in mehr als 150 Produktionen an allen großen Theatern der Welt gearbeitet hat. Die düstere und pessimistische Atmosphäre wirkte vor allem in der Todesverkündigungsszene sehr gut gelungen, und im Finale, abgesehen von der Szene, in der Wotan auf Siegmunds Leiche einstach: ein Geschmacksfehler, der sicher hätte man vermieden werden können.

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Ulla von Brandeburg, 48-jährige, aus Karlsruhe stammende und in Paris lebende Regisseurin und Bühnenbildnerin, konzipierte für den dritten Aufzug eine Szene aus Platten und Strukturen in leuchtenden und kontrastierenden Farben, die insgesamt angenehm wirkten und nicht im Gegensatz zum Charakter der dramatischen Geschichte. Zusammenfassend war die Inszenierung voller interessanter Ideen, aber es war nicht klar, oder ich verstand es zumindest nicht, ob es ein gemeinsames Grundkonzept zwischen den drei szenischen Konzepten gab oder ob die drei Regisseure jeweils ausschließlich an der Umsetzung arbeiteten ihm anvertraute Akt, ohne sich Gedanken über die Beziehung zu den übrigen zwei zu machen. Die Inszenierung wirkte jedoch insgesamt recht gefällig anzusehen, wenn auch nicht begeisternd.

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Wie immer in solchen Situationen bestand der größte Verdienst der Produktion in einem musikalischen Afführung, der wirklich der Tradition der Staatsoper Stuttgart würdig war, die sich in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts wegen der Qualität ihrer Wagner-Darstellungen den Namen Winter Bayreuth verdient hatte. Cornelius Meister hat seine interpretatorische Reife nach Lohengrin und Das Rheingold in einer weiteren großartigen Wagner-Interpretation erneut unter Beweis gestellt. Der junge Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, der im kommenden Juli mit einer Neuproduktion von Tristan und Isolde sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen geben wird, gab dieser monumentalen Partitur eine technische Interpretation auf wahrhaft hohem Niveau, perfekt unterstützt von einem Staatsorchester Stuttgart in wahrhaft erstaunlicher Weise und die seine tiefe stilistische Verbundenheit mit Wagners Musik einmal mehr bestätigte. Der 42-jährige Hannoveraner schafft in Die Walküre eine klangliche Atmosphäre mit dunklen und extrem definierten Details, mit einer theatralischen Konzeption, die fast an Ibsens Drama erinnert, wenn es darum geht, die Beziehungen zwischen den Figuren in der Geschichte zu lesen. In diesem Zusammenhang fanden die Dialogszenen zwischen Wotan und Brünhilde den größten Beweis, in denen alle orchestralen und textlichen Feinheiten von Meister mit gewissenhafter Sorgfalt bis ins kleinste Detail geschaffen wurden.
Die Gesangsbesetzung wurde definitiv von den beiden Frauenfiguren dominiert, die auf wirklich einprägsame Weise dargestellt wurden. Okka Von Der Damerau hat bei seinem Debüt in der Rolle der Brünhilde alle wirklich extremen Schwierigkeiten des Vokalsatzes mit einer authentischen Wagner-Stimme überwunden, die für Projektion, Metall und sogar arrogantes Klingen der hohen Töne wirklich ungewöhnlich war. Simone Schneider, eine der vollendetsten Künstlerpersönlichkeiten im Ensemble der Staatsoper, porträtierte eine verbitterte und desillusionierte Sieglinde mit bewegenden und gefühlvollen Phrasierungen. Der deutsch-kanadische Tenor Michel König spielte Siegmund mit guter Stimmsicherheit und überwand die Höhen-A von “Wälse!” im Monolog des ersten Aktes, und er traf sehr gut den Ton der fortschreitenden, bitteren Enttäuschung, den der unglückliche Wälsung vor seinem Tod empfand. Das Ergebnis war eine wirkungsvolle Darstellung eines Antihelden und Verlierers, der unweigerlich zur Niederlage verurteilt wurde. Der kroatische Bass Goran Juric gab den dunklen und bedrohlichen Ton, der Hundings Rolle charakterisiert, sehr gut wieder. Hinsichtlich des göttlichen Paares beeindruckte als Fricka die aus Stuttgart stammende Mezzosopranistin Annika Schlicht, die ihre gesamte Karriere im Ensemble der Deutschen Oper Berlin verbrachte. Seine Interpretation war sehr überzeugend für die Farbe und Resonanz des Gesangs und den Ton von eisiger Autorität in der Phrasierung. Der amerikanische Bariton Brian Mulligan sang Wotan mit fast liederlichen Tönen und zeigte schöne dynamische Nuancen in der Phrasierung, aber auch einen offensichtlichen Mangel an Autorität und stimmlichem Gewicht, wenn der Zorn des Gottes explodieren sollte. Gut gesungen und homogen trat die achtköpfige Walkiries-Gruppe in der ersten Szene des dritten Akts auf. Das Publikum, das den Saal endlich vollfüllen konnte, würdigte den triumphalen Erfolg am Ende der Aufführung mit intensivem und langanhaltendem Applaus für alle Mitwirkenden.